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Brief von Monsignor Michael Aichinger an seine Geschwister 1930

Teurer Bruder Alois und lb. Geschwister und Verwandte.

Seit einer Woche bin ich wieder in meinem Logansport und muss mich wieder so allmählich an meine Umgebung gewöhnen.

Gemäß meines Versprechens Euch die Eindrücke meiner Europareise zu schildern, will ich diesem Versprechen willfahren und Euch jetzt in kurzen Umrissen wenigstens die Haupteindrücke zu beschreiben.

Aus schon vorher besprochenen Dingen weißt Du ja selbst lb. Bruder, dass ich mir nichts besonderes versprach, ja in vielen Dingen war ich überhaupt etwas pessimistisch betreffend der ganzen Affaire, vom Anfang bis zum Ende.

Lasse ich daher die Eindrücke, angefangen von der Landung in Frankreich am 29. Mai bis zur Landung am 12. September in New York vor meinem Geiste wie ein wundervoller Traum, den man noch lange weiter träumen möchte und von dem man überhaupt nicht erwachen will.

Um nur einige Brennpunkte zu berühren, die schöne Überfahrt von New York nach Cherbourg, Frankreich, nicht eine Minute Seekrankheit der gewaltige Eindruck von Paris, mit seinem Eifelturm, mit seinen unzähligen Wundern von Kunst, Architektur, Geschichte u.s.w., dann die Fahrt durch das sonnige Südfrankreich, Orleans, Bordeaux, Marsailles nach dem weltbekannten Lourdes, wo die Mutter Gottes ihre mächtige Fürbitte für uns Menschenkinder auf so großartige Weise offenbart und wo das Herz jedes gläubigen Christen auf wunderbare Weise im Glauben an Gott und seine unbefleckte Mutter gestärkt und befestigt wird.

Dass ich dort nicht nur für mich, sondern auch für Dich und alle unsere Lieben betete, brauche ich wohl kaum zu erwähnen.

Dann führte mich mein Reiseprogramm nach der Riviera, den paradiesischen Flecken der Erde zwischen Frankreich und Italien, gelegen am Mittelmeer, wo ewiger Sommer herrscht und wo es weder kalt im Winter noch heiß im Sommer wird. Jenes Stückchen Paradies, dass sich in früheren Jahren eigentlich nur, wie Du mir schriebst, die Könige und Prinzen ansehen konnten, das aber in unserer fortschrittlichen Zeit auch gewöhnliche Erdenpilger bewundern und genießen dürfen.

Und weiter ging es dann nach Genua, der Geburtsstädte des unsterblichen Entdeckers von Amerika, Christoph Kolumbus. Vor dem Denkmal des großen Kolumbus stehend, stellte ich mir unwillkürlich die Frage, wäre ich wohl hier, wenn du Kolumbus, Amerika nicht entdeckt hättest? Ich konnte nicht anders als einige Gebete des Dankes zu Ehren des großen Weltenentdeckers zu verrichten.

Aber weiter ging es auf dem schnaubendem Dampfross durch das schöne Italien mit seinen unzähligen Kirchen und Klöstern, Burgen und Ruinen, Weinbergen und sonnigen Gefilden.

Mein Drang war hin zur ewigen Stadt, zum Vater der Christenheit, zur Grabstätte des Apostelfürsten Petrus und Paulus, zum Kolosseum, zu den Katakomben u.s.w. Den Petersdom, die Audienz mit dem hl. Vater, die Seeligsprechung des Kapuzinerbruders von Altötting, Bruder Konrads zu beschreiben, ist mir jetzt nicht möglich, ich habe Dir lb. Bruder viel Mündliches darüber berichtet. Unvergesslich bleibt mir die Erinnerung an die ewige Stadt, von Rom ging es dann weiter nach Florenz, der Stadt der weltberühmten Bilder und Kunstgalerien, wo man tagelang Bilder und Kunstwerke bewundern kann, um dann schließlich wieder von vorne anzufangen. Florenz die Stadt Dante’s, des großen Savonarola’s und aller großen Künstler.

Und nordwestlich geht die Reise nach dem träumerischen Venedig, mit seinen Wasserstraßen und seinen Gondolieren, mit seinen weltberühmten Glaswerken und fröhlich jauchzenden Volke, das da singt, von früh morgens bis spät in die Nacht.

Von Venedig nach Padua, der Schaustätte des hl. Antonius, dann nach dem modernen Mailand mit seinem monumentalen Dom, der von der Grundfeste bis zur Turmspitze aus reinem, weißen Marmor erbaut, und auf dessen Dachzinnen mit seinen mehr als 2ooo

Türmchen und Heiligenstatuen sich schon mancher Reisende verlaufen hat, dass man in neuerer Zeit gezwungen war Wegweiser anzubringen, mit Haltestellen und Restauration, und alles auf dem Dach des großen Domes.

Drei Wochen war ich nun schon in Italien, fünf Wochen seit ich Amerika verlassen, und doch war das nicht der eigentliche Zweck meiner Europareise.

War doch von vornherein die Absicht, Euch meine Lieben, in der trauten Heimat wieder zu sehen, und besonders in Falkenstein, in Eurem und im Kreise unserer nächsten Verwandten so eine Art Nachpriminz zu feiern.

Also drängte es mich hin zu dem schönen Deutschland, nach der trauten Heimat, nach unserem lb. Bayernland, nach dem unvergesslichen Falkenstein, nach Völling, nach Arrach u.s.w..

Aber erst geht die Reise noch entlang der schönen Seen von Norditalien, Komo, Lokarno, das Engadin, durch den weltberühmten St. Gottharttunnel, entlang der gigantischen Alpenspitzen, über den Splügenpass, den Rhonegletscher umgeben von ewigen Schnee und Eis, hinunter nach dem Vierwaldstättersee, hinein in die Schweiz, nach Luzern.

Ein Aufstieg auf den Pilatus, von wo man erst so recht die mächtigen Alpen anstaunen und bewundern kann, im Hintergrund der mächtige Mt. Blance, gehüllt in ewigen Schnee und Eis, dann weiter in die Bergesriesen Jungfrau, Finsterahorn, u.s.w..

Eine Rundfahrt um den Vierwaldstättersee mit den historischen Tellstädten, Altdorf, Küssnacht etz., dann weiter nach Zürich, der Hauptstadt der Schweiz.

Ein kurzer Aufenthalt in Zürich, dann weiter nach Lindau am Bodensee, mit einschließend kurzer Besichtigung von Friedrichshafen und dem Luftriesen Graf Zeppelin.

Gegen Abend dann weiter auf dem D-Zug nach München. Im Zuge selbst traf ich dann jenen interessanten Münchner, der mir durch seinen Witz und Humor, und besonders durch den Euch ja bereits bekannten Ausdruck „Ja Pfeifferdeckel“ und dann „ Gehma zum Matheser“ mir recht viele vergnügte Momente bereitete.

Gegen 8.3o Abends donnerte der Schnellzug in den Zentralbahnhof ein, ich war in München.

Oh, wie war mir doch zu Mute, als ich mich so recht hinein dachte in die Tatsache, dass ich mich jetzt in Deiner und unserer Geschwister Nähe befand.

Schon die Arnulfstasse, bekannt durch unseren brieflichen Verkehr, heimelte mich an und war mir ganz bekannt, obwohl ich sie erst jetzt zum ersten Male sah.

Klopfenden Herzens begebe ich mich am nächsten Tage auf die Suche nach 106 Arnulfstraße, -- und dann, lb. Bruder, unser erstes Zusammensein nach 32 Jähriger Trennung. Die Herzlichkeit und echt brüderliche Liebe welche diesem Empfang zu Grunde lag ward ausgedrückt durch das herrlich geschmückte Zimmer mit dem strahlenden „Willkommen“ in der Mitte des Guirlandenkranzes.

Alles so nobel und schön hergerichtet, die herzliche Fürsorge Deiner liebenswerten Gattin Anna, die Trotz der fatalen Wurstgeschichte mir großherzig verzieh, und sich so recht wie eine Mutter um mich annahm.

Dann der Nachmittagskaffe zu Schwester Marie, ihre große Freude ob meines Erkennens, die Episode bei Schwester Fanny und Bruder Max und die unverhehlte Freude beiderseits ob meiner Heimkehr.

Dann noch schließlich der herzliche Empfang bei Sanktjohansers, mit Zenzies schwesterliche Liebe und Schwager Jakob unverwüstlichen Humor und wahrer Freude ob meiner Bekanntschaft auf die wir uns gegenseitig schon lange gefreut hatten.

Die hl. Messe am Sonntag Morgen bei welcher alle zugegen waren, der Empfang in Deiner Wohnung, Deine aus dem Herzen kommenden Ansprache bei dieser Gelegenheit das alles waren Beweise von wahrer Geschwisterliebe und unverwüstlicher Freude ob meiner Heimkehr.

Noch zu erwähnen unsere beiderseitige Reise nach Wallgau und die wohl ausgedachten Pläne wie wir Bruder Hans in etwa überraschen könnten, und wie aber unsere Pläne an dem Spürsinn der Polizei zu nichte kamen.

Weiter dann die Herzlichkeit mit der uns Bruder Hans empfing, nebst der aufopfernden Selbstlosigkeit seiner netten Frau Anna und ihren holden Kindern Hansel und Gretel.

Dass Du damals bei Deiner Rückfahrt nach München den Herzogstand nicht besuchen konntest, wirst Du mir ja schon längst verziehen haben, denn wir hatten ja so viel zu erzählen, bevor wir uns trennten. Du nach München, Anna und ich nach Oberammergau.

Es ist hier kaum notwendig, näher auf den gewaltigen Eindruck des Passionsspieles einzugehen, denn darüber haben wir ja schon vorher mündlich gesprochen.

Ja ich möchte nur noch kurz bemerken, dass eigentlich das Passionsspiel zu Oberammergau den Ausschlag gab, im Jahre 1930. die Heimat und Euch meine Lieben zu besuchen. Die Pläne unserer gemeinsamen Reise nach Falkenstein die Verschiebung und schließliche Vereinbarung auf den 2. Juli waren in jeder Hinsicht die besten. Alles ging wunderbar und hätte nicht besser gehen können.

Als dann schließlich die Zeit nach Falkenstein zu gehen herankam, da wurde ich wieder jung, etwa so als damals, als ich vor 32 Jahren Falkenstein verließ. Ich kann Dir, lb. Bruder überhaupt nicht in Worten schildern was ich im Herzen fühlte, was während jener seligen Tage vor sich ging.

Der Anblick als ich es zum ersten Male vom Zug aus wieder sah, das Erkennen und der herzliche Empfang bei Hans Dietl und seiner Familie, das Zusammentreffen mit Schwester Anna und Ihren Kindern in Falkenstein, sowie die erste Begegnung mit Schwester Lina aus Berlin.

Und jetzt der Grund warum wir uns gerade in Falkenstein versammelten.

1.) Eine kleine Prozession zieht hinaus, pilgert hinauf auf den Friedhof, um dort am Grabe des verstorbenen Vaters gemeinschaftlich zu beten, um vielleicht auch eine verstohlene Träne zu weinen.

2.) Um dort am Schauplatz unserer Jugend dem allerhöchsten im Kreise unserer Geschwister, Verwandten und Bekannten das hl. Messopfer darzubringen, weil es mir eben aus bekannten Gründen nicht möglich war, dasselbe vor 22 Jahren, am Tage meiner Priminz zu tun.

Die Eindrücke und Gefühle sowie die seelische Stimmung bei jener Gelegenheit muss sich jeder selbst wieder ins Gedächtnis zurückrufen, mein Bestreben ist zu schwach es auf berührende Weise zu tun.

Der große Festschmaus bei Schmalzl mit den lb. Vorträgen der Kinder Hansens und Theresens, die gediegene Anrede des Bürgermeisters, die rührenden Worte und Jugenderinnerungen von Dir, lb. Bruder, dann die festlich klingenden Weisen von Theodor Dietls Musikkapelle, -- war das nicht schön?

Noch zu erwähnen die Anwesenheit eines Mitbruders aus Amerika sowie die Anwesenheit der Geistlichkeit von Falkenstein.

Dann noch die vielen Verwandten und Angehörigen über 50 an der Zahl, aus Wörth, Straubing, Regensburg und Nittenau.

Schon am Nachmittag als wir alle so droben standen, dort auf dem Schanzerl und Völling so vor uns liegen sahen, war ich wie verzückt und jetzt gingen wir hin, dort, wo unsere Wiege stand, wo wir zum ersten Male die Kindereindrücke bekamen, dort wo wir lebten und wirkten, wo wir schliefen und spielten, und gar oft auch litten, wo wir lernten zu beten, zu Hause sowie in der kleinen Kapelle, dort wo sie lebte litt und starb, unsere gottselige Mutter, ja in Völling, dort wo unsere liebe Hanserldod, sowie der Hanserl einstens lebten, wirkten und starben.

Wahrlich lb. Bruder, und überhaupt alle ihr lieben Geschwister, Marie, Alois, Therese, Zenzi, Fany, Hans und Max, Alle waren wir zusammen, dort wo unsere Wiege stand, in Völling beim Schmied.

Ich hätte eigentlich auch noch Anna und Lina erwähnen sollen, aber sie kannten ja Völling nicht mehr so wie wir.

Der Wettergang nach Erlhof und den vielen Jugenderinnerungen, in den Sandgruben dem Kammerlau, mit all den Geistern und Gespenstern die sich dort herumtreiben, der Anblick vom Erlenhof mit seinen vielen Erinnerungen, die Zurückehr vom Erlhof nach Völling, die

Einkehr bei den verschiedenen Völlingern, Hanserlhaus, Weberhaus, Schütz, Stummhofer Max, Hebauer, Krah, Wagner, Woferlgirgl, Brem Karl, und schließlich noch im Wirtshaus mit den verschiedenen Bekannten, die wir dort trafen, brachten ja die Tour zu einem recht schönen Ende.

Zu erwähnen währe auch noch der Sonntag Abend, wo der junge Dietl Hans Lieder vortrug, besonders das Lied „ Unter’m Tisch da lag der Schmid.“, und Du dann sagtest, dass es abergerade auch der Schmid sein musste.

Am Montag nach der Frühmesse machten wir dann unsere denkwürdige Fusstour nach Arrach und Tannerl und Hundessen.

Es gibt Augenblicke im Leben die man gern aus der Erinnerung verbannen möchte, aber solche Augenblicke oder vielmehr Stunden die wir am Montag verbrachten, möchte man doch gerne auf ewig in Erinnerung halten.

Angefangen mit den Bemerkungen die sich Max über den Zipperer Franz erlaubte und die uns allen den Lachkrampf gaben, bis zum denkwürdigen Gang durch den Handlersberg, den großartigen Empfang beim Hundesser und alle sonstigen Erinnerungen die dabei aufgetischt wurden, bis zum Abschied den unser Bruder Max gegen Abend von uns nahm, alles kommt mir jetzt so eines nach dem anderen in den Sinn.

Aber da eben alles ein Ende hat, kam auch unsere einzig dastehende Falkensteiner Feier zu Ende.

Aber es war eine wunderschöne Feier, und brachte wieder Freude und Trost.

Was wir uns als zweifelhaftes und gewagtes vorstellten, entwickelte sich zu den schönsten und lieblichsten Ereignissen unseres Lebens.

Nennenswert ist dann noch unser Besuch in Wörth, Straubing, Bogenberg, Regensburg und schließlich noch bei Schwester Theres in Nittenau.

Die Nittenauer konnten gar nicht genug tun für uns, und groß war der Jammer als wir nach dreitätigen Aufenthalt dort Abschied nahmen

Ich glaube ich schilderte Dir auch die eindrücke die ich in Konnersreuth bei Besuch bei Theresa Neumann erhielt. Persönlich hege ich keine Zweifel als das die ganze Sache auf Anordnung Gottes geschieht. Warum und wofür das weiß eben nur Gott.

Von meiner Reise Nach Wien, Salzburg, Innsbruck u.s.w. berichtete ich Euch zur Genüge per Postkarte. So währe nichts mehr weiter hinzuzufügen, als dass meine Kenntnisse durch diesen Abstecher sehr bereichert wurden.

Der Gedanke, dass ich hindurch fuhr durch das Gebiet, durch welches vor vielen Jahren die Nibelungen sowie Kreuzfahrer schon gingen, auf welchen sich die Taten der edlen Habsburger, sowie die vielen Türkenkämpfe abspielten, die Stadt Wien mit ihren unzähligen Denkmälern von edlen Menschen, großen Musikern ect. , das heilige Tirol mit seinen Bergen und seiner unvergesslichen Geschichte von Andreas Hofer und seinen Freiheitskämpfen, all das sind mir unauslöschliche Eindrücke.

Zurück ging es dann wieder nach Wallgau zum gastlichen Heim des Herrn Polizei-Kommissärs und seiner netten Frau, um noch etliche Tage dort zu verbringen. Nach aber recht schönen Tagen kam der Abschied um weiterzugehen nach München. Es dauerte die Reise nach München etwas lange, wenigstens Deine gute Frau sagte so, aber nach wahrheitsgetreuer Erklärung besonders nachdem ich Deiner besseren Hälfte eine Handtasche als Geschenk gegeben, da war alles wieder gut, ja Deine Frau sagte sogar, dass das nächste Mal die Reise auch etwas länger dauern darf, besonders wenn ich eine etwas größere Handtasche mitbringen würde.

„Ja, ja Alois, mit Deiner Frau bist schon recht angeschmiert, dös sag J Dir scho, so oane kriagst net wieder“.

Und weil wir eben bei Deiner Familie sind, möchte ich Dir hier erklären, dass mir die im Kreise Deiner Familie Verbrachten Tage, wie kostbare Edelsteine sind.

Das ist keine leere Schmeichelei, es kommt wahrlich vom Herzen. Das unermüdliche Streben Deiner Frau, es mir bequem und angenehm zu machen, die kleinen Liebesdienste die mir Dein Heinrich sowie Ottilie und Anna erwiesen, nicht zu sagen von Deinem persönlichen Bestreben mir den Aufenthalt bei Euch in München so angenehm wie möglich zu machen.

Du kennst keine Opfer, Du scheutest keine Mühe. Ich wiederhole, es ist dies keine leere Phrase, es ist die Wahrheit.

Am Samstag der denkwürdige Ausflug oder besser Wallfahrtsgang nach Altötting, begleitet von meiner guten Schwester Marie. Ich hatte eigentlich vorher Marie nicht recht gekannt, erst auf der Wallfahrt nach Altötting lernte ich was für eine edle und liebenswürdige Schwester Marie ist.

Am folgenden Sonntag noch einmal gemeinschaftliche hl. Messe, bei der alle Münchner lobenswert erschienen, und am Nachmittag und Abend Abschiedsfeier bei Bruder Max, bei welchem auch Bruder Hans und sein schnackerlfideles Weib Anna sich nicht abhalten ließen zu erscheinen. Das Bruder Max, der Spekulant, und seine Frau. sowie Schwester Fany nebst ihren Gemahl sowie Töchterchen Fany und Paula alles taten was in ihren Kräften stand, brauch ich ja weiter nicht zu erwähnen, denn Ihr wisst ja wie schön alles herging.

Die Abschiedsfeier bei Max brachte meinen Aufenthalt in München zu einem schönen und denkwürdigen Abschluss.

Schade, dass beim Abschied am Hauptbahnhof Schwester Marie so enttäuscht wurde. Wie schön dass Du lb. Bruder nebst Frau sowie Bruder Hans und Frau, ferner Fany und Tochter Paula, sowie Deine Tochter Anna und die kleine Dichterin Zenta noch Lebewohl sagen konnten.

Der Abschied am Bahnhof war ja äußerlich sehr leicht und einfach, aber im Inneren krampfte es mir doch das Herz zusammen. Deswegen habe ich auch nicht mehr aus dem Zug herausgeschaut, ich habe tatsächlich geweint.

Schon am Sonntagabend als ich Abschied nahm von Zenzl und ihren Mann kam mir beinahe das Weinen, aber dass ich wirklich Tränen vergießen werde habe ich nicht geahnt.

Wenigstens habt Ihr es nicht gesehen, aber jetzt darf ich es ja sagen, ich brauche mich darob nicht zu schämen.

Wie ich in Nürnberg ankam, wie es mir dort gefiel, und was für denkwürdige Dinge ich dort gesehen, habe ich ja bereits per Karte berichtet. Ebenso auch von Frankfurt und Mainz.

Besonders eindrucksvoll war die Rheinfahrt von Mainz bis Koblenz, vorbei an der Lorelei, dem Germania Denkmal in Niederwald und den beinahe unzähligen Burgen und Schlössern.

Im hl. Köln, bekannt als das deutsche Rom, verblieb ich zwei Tage länger als ich zuerst vor hatte, immer wieder zog es mich hinein in die geweihten Hallen des gewaltigen Kölner Dom, das schönste und größte gotische Bauwerk der ganzen Welt.

Doch ich musste weiter. Von Köln führte mich das Dampfross über das Ruhrgebiet, vorbei am Teutoburger Wald mit dem gewaltigen Denkmal von Hermann, den Befreier Deutschlands und weiter ging es über Hannover, hinan zur Metropole des deutschen Reiches, Berlin.

Nachdem ich dort die nötigen Vollmachten erlangte, setzte ich mich mit Lina telefonisch in Verbindung. Schon nach kurzer Zeit war sie freudestrahlend zur Stelle um mich in ihr Heim zu führen.

Am Abend besprachen wir den Fall mit Schorschl, und er zeigte sich geneigt alles in seinen Kräften zu tun, um Lina mit ihrer Kirche wieder in Einklang zu bringen. Am nächsten Tag Samstag, gingen wir zu Linas Pfarrer, und er war die verkörperte Liebenwürdigkeit.

Es war mir zuerst etwas schwer Lina zu bewegen, zur hl. Beichte zu gehen, aber nachdem

sie den höchst liebenswürdigen Pfarrer getroffen hatte , war sie bereit sofort zu beichten, und während sie beichtete, betete ich etliche Gesetze vom Rosenkranz für sie und für uns alle.

Nach der Beichte war sie ganz entzückt und fröhlichen Herzens. Wir gingen am Tempelhofer Flugfeld vorbei und ich machte den Vorschlag, über Berlin zu fliegen. Sofort war Lina bereit, und wir machten einen Rundflug über Berlin. Großartig und unvergesslich ist dieser Anblick Berlins aus der Vogelperspektive.

Am nächsten Morgen, Sonntag, ging Lina zur hl. Kommunion, und nach der hl. Messe erneuerten sie und ihr Mann den Bund des Lebens nach den Gesetzen der kath. Kirche.

Und somit war auch diese Sache geregelt wie ich es mir schon vom Anfang an vornahm es zu tun. Am Abend gingen wir in das weltberühmte Haus „Vaterland“ um Nachhochzeit zu feiern.

Es war schon nach zwei Uhr Morgens, als wir wieder in Lichtenrade ankamen, Herr und Frau Haack und Euer getreuer Diener und Knecht Michael Aichinger.------

Bei Schwester Kreszenz war es mir gegönnt, bei der silbernen Hochzeit zu fungieren, bei Lina die Unregelmäßigkeit der Zivilehe wieder in Ordnung zu bringen. Schade, dass es mit nicht gegönnt war bei der Trauung eines Eurer Kinder, Neffen oder Nichten zu assistieren.

Am Dienstag machten Lina und ich einen Ausflug nach den Vorstädten Berlins, Potsdam, Charlottenburg, Sans-Sousi ect. Und schon war die Zeit nah nach Hamburg zu abfahren.

Lina ließ es sich nicht nehmen mich ans Schiff zu bringen. Der Abschied war an und für sich nicht schwer. Als aber das Schiff sich langsam in Bewegung setzte, und die Schiffskapelle eine Traurige Abschiedsweise spielte, da weinte Lina die so ganz allein am Ufer stand, recht bitterlich und nun ja, da weinte halt auch Euer Bruder Michael mit, und zwar zum 2. Male.

Auf dem Schiff übereichte mir der Steward ein Paket aus Wallgau. Bruder Hans schickte mir ein wunderbares Buch über Deutschland welches mir als Ocean Lektüre dienen sollte. Für mich war das in der Tat ein Genuss, denn es erfrischte in meinen Gedanken gar manches Erlebte wieder auf.

Die Seereise war ohne allen Zwischenfall. Kein Sturm, keine Seekrankheit. Nach sieben Tagen landeten wir glücklich in New York.

Noch eine 20stündige Reise per Eisenbahn, und wohl erhalten erreichte ich Logansport, meinen Wirkungskreise im Weinberge des Herrn.

In Logansport erwartete man mich erst zwei Tage später, und so getreu meines Wahlspruchs “Aber nur keine Umstände“ zog ich still und unauffällig in meine bescheidene Wohnung.

Dieser Brief, lieber Bruder ist nicht an einem Tage geschrieben, sondern es ist jetzt beinahe eine Woche seit dem ich anfing.

Vor etlichen Tagen erhielt ich einen Brief von Schwester Fany und Tochter Paula und getreu Deiner Gewohnheit empfing ich am Montagvormittag, den 29. Sept. einen Brief von Dir, mir Glück wünschend zum Namenstag, sowie weitere Mitteilung der Dinge wie sie bei Euch stehen.

Seit ich wieder daheim bin, musste ich mehrere Vorträge halten über meine Reise und meine Eindrücke.

In Nächster Zeit werde ich nach Chicago fahren um Anna zu besuchen. Sie freut sich schon sehr darauf.

Auch Schwester Lioba schrieb mir zum Namenstag. Sie bat mich auch, dass ich Zeit nehmen möge, sie in kürze zu besuchen, und ihr recht viel von der alten Heimat erzählen möge.

Obwohl ich jetzt schon wider zwei Wochen zu Hause bin und mich so nach und nach an das Alltagsleben gewöhne, so denke ich doch täglich zurück an dich und alle meine Geschwister, und an die schönen Tage, die es uns gegönnt war gegenseitig zu genießen.

Nächstens werde ich mich mit samt meiner Bagage abphographieren lassen, d.h. mein Automobil, meine 2 getreuen Hunde, meine Haushaltung und ich. Ich werde mir dann erlauben, Dir ein Bild zu schicken, wenn es nicht zu schlecht ausfällt.

Meine zwei Hunde fraßen mich beinahe auf, als ich heimkam. Eben, da ich dieses schreibe sitzen sie , der eine rechts der andere links , und schauen mich an, als wollten sie sagen, schicke auch einen schönen Gruß, von uns und sage deinem Bruder, er soll eine recht große Salamiwurst mitbringen, wenn er einmal nach Amerika kommt, um uns zu besuchen. Er soll sie aber nicht verlieren, denn das würden wir ihm nicht glauben.

Jetzt fang ich eben an, Dummheiten zu schreiben, den das Material geht mir aus, folglich muss jetzt zum Schluss kommen. Ohne Zweifel wirst Du den langen Brief auch den anderen Geschwistern bei Gelegenheit lesen lassen.

Also lb. Bruder, besten Dank für alles Gute und Schöne, herzl. Gruss an Dich, Deine Familie und alle unsere Geschwister

Bis auf weiteres Wiedersehen, jetzt und immer .....

Monsignor Michael Aichinger

 

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